Die Alternative für Deutschland (AfD) hat in ihrem Wahlprogrammentwurf angekündigt, dass sie plant, Deutschland aus der Europäischen Union (EU) und dem Euro auszutragen. Welche Auswirkungen würde dies auf das Land und die EU haben?
In einem kürzlich verschickten Entwurf für das Wahlprogramm zur vorgezogenen Bundestagswahl 2025 hat die rechtsextreme Partei AfD ihr Ziel bekräftigt, die Bundesrepublik aus der EU und der Eurozone zu führen, wenn sie an die Macht kommt. Diese Ankündigung wird auf einem Parteitag Anfang Januar zur Abstimmung gestellt. In diesem Entwurf wird ein wiederkehrendes Versprechen aus dem Europawahlkampf der Partei zitiert: "Wir halten es für notwendig, dass Deutschland die Europäische Union verlässt und eine neue europäische Gemeinschaft gründet."
Die AfD schlägt vor, ein "Europa der Vaterländer" zu bilden, das als Staatenbund fungieren soll und einen gemeinsamen Markt sowie eine "Wirtschafts- und Interessengemeinschaft" umfasst. Zudem beabsichtigt die Partei, Deutschland aus der Eurozone zu ziehen und diese durch eine "Transfer-Union" zu ersetzen. Im Wahlprogramm räumt die AfD ein, dass ein abrupter Austritt nachteilige Folgen hätte und schlägt stattdessen vor, die Beziehungen zu den EU-Mitgliedsstaaten und anderen europäischen Ländern neu zu verhandeln.
Die AfD fordert zudem ein Referendum für den Dexit, wobei ein tatsächlicher Austritt aus der EU kompliziert wäre, da die EU-Mitgliedschaft im deutschen Grundgesetz verankert ist. Selbst wenn eine AfD-geführte Regierung den Austritt erklären würde, wäre dies verfassungsrechtlich problematisch und würde eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erfordern.
Der Vorstoß der AfD ist eine Verschärfung ihrer bisherigen Position zur EU. Noch im Februar äußerte der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla, dass es zu spät sei, um die EU zu verlassen, während seine Mitvorsitzende und Kanzlerkandidatin Alice Weidel den Dexit lediglich als "Plan B" bezeichnete.
Verschiedene deutsche Wirtschaftsinstitute und Branchenverbände haben die Vorschläge der AfD scharf kritisiert. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kam zu dem Schluss, dass ein Austritt aus der EU das Land innerhalb von fünf Jahren 690 Milliarden Euro kosten könnte, das Bruttoinlandsprodukt um 5,6 Prozent schrumpfen würde und 2,5 Millionen Arbeitsplätze verloren gingen. Der Schaden wäre vergleichbar mit den Auswirkungen der Coronavirus- und Energiekrise zusammen.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) bezeichnete die AfD-Vorhaben als "wirtschaftliche Kamikaze-Mission" und hob die Vorteile der Währungsunion für kleine und mittlere Unternehmen hervor, die den Handel innerhalb der EU erleichtert.
Ronald Gläser, ein Vertreter der AfD in Berlin, wies diese Bedenken zurück und argumentierte, dass Deutschland auch außerhalb der EU Vorteile hätte. Er verglich den Dexit mit dem Brexit und betonte, dass die negativen Vorhersagen über den Brexit nicht eingetreten seien.
Eine Studie von Cambridge Econometrics kam jedoch zu einem anderen Ergebnis und zeigte, dass der Brexit das Wachstum und die Beschäftigung im Vereinigten Königreich negativ beeinflusste und bis 2035 etwa drei Millionen Arbeitsplätze kosten könnte.
Das IW warnte, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Dexit erheblich sein könnten, da Deutschland stärker in die EU integriert ist als Großbritannien, und dass ein Austritt zu einem signifikanten Rückgang des Wohlstands führen könnte. Unternehmen, die auf Märkte in anderen EU-Ländern angewiesen sind, wären besonders betroffen.
Gläser ist dennoch der Ansicht, dass eine neue Struktur den Freihandel unterstützen könnte, ähnlich wie die Schweiz, die nicht in der EU ist, aber weiterhin exportiert.
Die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung steht einem Dexit jedoch entgegen: Laut einer Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung würden 87 Prozent der Deutschen für den Verbleib in der EU stimmen.
Die AfD verfolgt mit ihrer Forderung einen klaren politischen Kurs. Gläser betont, dass die Partei nicht nach Umfragen handle, sondern das tun wolle, was sie für richtig hält. Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler, erklärt, dass die AfD tief im Nationalismus verwurzelt ist und eine skeptische Haltung gegenüber übergeordneten Institutionen wie der EU hat.
Die Frage bleibt, ob die AfD tatsächlich plant, die EU durch eine andere internationale Gemeinschaft zu ersetzen und ob sie die damit verbundenen wirtschaftlichen und verfassungsrechtlichen Herausforderungen ernst nimmt.
Schroeder stellt fest, dass die Position der AfD eher eine langfristige Wette auf eine wachsende Euro-Skepsis in Europa ist, während sie gleichzeitig die Möglichkeit neuer wirtschaftlicher und politischer Perspektiven im Eurasischen Raum in Betracht zieht.