Mehr als 10,5 Millionen Menschen in Deutschland, was über ein Viertel der gesamten Erwerbsbevölkerung entspricht, verdienen aktuell weniger als 15 Euro pro Stunde. Diese Informationen basieren auf den letzten verfügbaren Erhebungen aus April des vergangenen Jahres, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.
Eine Anhebung des Mindestlohns, die von Parteien wie den Grünen, der BSW und der Linken gefordert wird, hätte vor allem in den ostdeutschen Bundesländern spürbare Auswirkungen. Laut dem Statistischen Bundesamt ist Mecklenburg-Vorpommern das Bundesland mit dem höchsten Anteil an Geringverdienern, wo 36,6 Prozent der Beschäftigten unter der 15-Euro-Marke verdienen. Thüringen und Sachsen-Anhalt folgen mit jeweils 34 Prozent, während Sachsen und Brandenburg mit 33 Prozent auf den nächsten Plätzen stehen.
Im gesamten Bundesgebiet würden besonders Arbeitnehmer in der Gastronomie von einer Erhöhung des Mindestlohns profitieren, da dort drei Viertel der 1,7 Millionen Beschäftigten unter 15 Euro verdienen. Auch in Branchen wie dem Einzelhandel, der verarbeitenden Industrie sowie im Gesundheits- und Sozialwesen gibt es viele Geringverdiener. Statistisch gesehen sind Männer (31 Prozent verdienen unter 15 Euro) etwas stärker betroffen als Frauen (22,7 Prozent).
Die Arbeitgeber werfen Bundeskanzler Scholz und der SPD vor, ihre Versprechen bezüglich der Mindestlohnerhöhung nicht einzuhalten. „Es ist enttäuschend, dass die Zusagen eines Bundeskanzlers scheinbar keine Bedeutung mehr haben“, äußerte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der BDA, gegenüber der SZ.
Als der Mindestlohn 2015 eingeführt wurde, hatte die damalige Koalition aus Union und SPD versprochen, die Lohnuntergrenze nicht politisch festzulegen, sondern eine unabhängige Mindestlohnkommission mit Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften die Erhöhungen entscheiden zu lassen. Dennoch hat die Ampelkoalition auf Drängen der SPD den Mindestlohn im Herbst 2021 per Gesetz auf 12 Euro angehoben und damit laut BDA dieses Versprechen bereits einmal gebrochen.
„Die Festlegung der Löhne sollte auf der wirtschaftlichen Lage basieren und nicht auf den Umfragewerten einer politischen Partei“, betonte Kampeter. „Politische Notlagen sollten nicht die Entscheidungen der Mindestlohnkommission beeinflussen.“ Ein „Staatslohn für Unternehmen“ könne die sozialen Herausforderungen des Landes nicht bewältigen. Diese Maßnahmen führen nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in wirtschaftlich schwachen Regionen oder zur Verbesserung der Infrastruktur, die für Beschäftigung und angemessene Einkommen notwendig sind.
Auch von linker Seite gibt es Kritik an der SPD. Susanne Ferschl, Bundestagsabgeordnete der Linken, beschuldigt die Bundesregierung aus SPD und Grünen, das Thema Mindestlohn während des Wahlkampfs auszunutzen. „Das ist einfach dreist“, sagte Ferschl der SZ. Sie fordert die Regierungsparteien auf, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die EU-Richtlinie zum Mindestlohn als Grundlage für die Lohnuntergrenze festlegt, was faktisch etwa 15 Euro im kommenden Jahr bedeuten würde. Ein entsprechender Antrag soll am Donnerstagabend im Bundestag eingebracht werden.
Ab dem 1. Januar 2025 wird der Mindestlohn von derzeit 12,41 Euro auf 12,82 Euro brutto pro Stunde angehoben. Gewerkschafter und Vertreter linker Parteien halten diese Erhöhung aufgrund der hohen Inflation der letzten Jahre für unzureichend, da sie nicht vor Altersarmut schützt.