Am kommenden Wochenende versammeln sich die Grünen zu einem kleinen Parteitag, um die Ursachen ihrer Wahlniederlage zu erörtern. Allerdings bleibt der Leitantrag des Parteivorstands beim zentralen Wahlkampfthema Migration vage, was bei vielen Parteimitgliedern Unmut auslöst.
Etwa einen Monat nach der Bundestagswahl hat der Vorstand der Grünen seine Analyse der Wahlniederlage präsentiert. Mit 11,6 Prozent der Stimmen lag das Ergebnis weit unter den Erwartungen, was den Drang zur Aufarbeitung unter den Grünen verstärkt.
Der sogenannte Länderrat, ein kleiner Parteitag, bietet am Sonntag die Gelegenheit für diese Auseinandersetzung. Die Parteiführung unter Franziska Brantner und Felix Banaszak möchte mit ihrem in dieser Woche veröffentlichten Leitantrag den Ton angeben, doch nicht alle Mitglieder fühlen sich damit angesprochen.
Besonders auffällig ist die Art und Weise, wie die Parteiführung das Wahlkampfthema Migrationspolitik behandelt, das entscheidend für die Wahlen war und auch zukünftige Debatten prägen wird. Der Abschnitt des Dokuments, der sich mit der Migrationspolitik beschäftigt, befasst sich nur kurz damit und konstatiert, dass entscheidende Diskussionen nicht gewonnen werden konnten und es an strategischer und kommunikativer Klarheit gefehlt habe.
Die Herausforderungen der Migrationspolitik traten während des Wahlkampfs deutlich zutage. CDU-Chef Friedrich Merz wollte nach einem Anschlag in Aschaffenburg eine Wende in der Migrationspolitik einleiten, was Grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck dazu veranlasste, einen eigenen Zehn-Punkte-Plan zu präsentieren, der unter anderem schnellere Abschiebungen und erweiterte Befugnisse für Sicherheitsbehörden vorsah.
Die Frage bleibt, für welches der beiden Konzepte die Grünen in der Migrationspolitik tatsächlich stehen. Die Wählerwanderung zeigt, dass frühere Anhänger sowohl nach links als auch nach rechts abgewandert sind, möglicherweise auch wegen dieser Unklarheit.
Innerhalb der Partei gibt es Uneinigkeit bezüglich der Interpretation der Migrationspolitik. Während die Linken in der Partei Zweifel an der strategischen Klarheit äußern, sehen die Realos die Probleme als Ergebnis eines öffentlichen Widerspruchs der Grünen Jugend gegen den Habeck-Plan, der potenziell Wähler abgeschreckt haben könnte.
Der Leitantrag der Parteiführung sorgt auch in Bezug auf die zukünftige Oppositionsarbeit für Diskussionen. Die Migrationspolitik wird zwar als eines von vier zentralen Themen genannt, doch konkrete Lösungsansätze bleiben unklar. Es wird eine positive Perspektive auf Migration angedeutet, doch die Herausforderungen, die damit einhergehen, werden nur kurz angesprochen.
Die Parteivorsitzenden scheinen mit ihrer vagen Formulierung sowohl die Linken als auch die Realos ansprechen zu wollen, haben jedoch beide Flügel in ihrer Unzufriedenheit enttäuscht. An anderer Stelle im Leitantrag wird selbstkritisch angemerkt, dass es in der Partei Streitpunkte gibt, die oft mit Kompromissen behandelt werden.
Am Sonntag werden wahrscheinlich Änderungsanträge zu den Migrationspassagen diskutiert. Es bleibt abzuwarten, ob die Parteiführung das Thema weiterhin klein halten oder eine neue Richtung einschlagen wird.