Die Entwicklung von Wladimir Putins Machtposition in Russland wird von einer Vielzahl von Weggefährten begleitet, die ihm seit vielen Jahren zur Seite stehen. Wer sind die einflussreichen Persönlichkeiten in Putins Umfeld?
Am 21. Februar 2022 kam es zu einem historischen Ereignis, als Präsident Wladimir Putin den russischen Sicherheitsrat einberief. Zum ersten Mal wurde eine solche Sitzung, wenn auch mit zeitlichen Verzögerungen und gekürzten Passagen, im Fernsehen übertragen.
In Russland stellt der Sicherheitsrat das zentrale Entscheidungsgremium dar, das vergleichbare Funktionen wie das frühere Politbüro der KPdSU in der Sowjetunion übernimmt.
Zu den Mitgliedern gehören einige Amtsträger wie der Regierungschef Michail Mischustin sowie die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern, Wjatscheslaw Wolodin und Walentina Matwijenko.
Einflussreiche Personen in Putins Umfeld sind oft nicht Mitglieder des Sicherheitsrates. Viele dieser Vertrauten begleiten ihn bereits seit seiner Zeit als Vize-Bürgermeister in St. Petersburg in den 1990er Jahren und sind damit schon seit über dreißig Jahren an seiner Seite.
Die US-Politologin Karen Dawisha hat in ihrem Buch Putin's Kleptocracy darauf hingewiesen, dass Putins Geschichte nicht bloß eine des Cowboy-Kapitalismus ist. Sie beschreibt, wie ein äußerst geschickter Politiker ein Netzwerk von Personen um sich schart, die zwar Russland loyal sind, jedoch vor allem auf ihr persönliches Wohlergehen und ihren Reichtum bedacht sind.
Laut Michael Rochlitz, einem Russland-Experten an der Universität Oxford, hat Putin zu Beginn seiner ersten Präsidentschaft vor allem zwei Netzwerke genutzt: ehemalige KGB-Kollegen und Mitarbeiter der St. Petersburger Stadtverwaltung.
Zu den Personen, die aus Putins KGB-Zeit in Dresden stammen, zählen heute unter anderem Nikolai Tokarew, der die Transneft leitet, und Sergej Tschemessow, der seit 2007 die Leitung des Rüstungskonzerns Rostec innehat.
Besonders hervorzuheben ist Igor Setschin, der seit 2012 den staatlichen Ölkonzern Rosneft führt. Er spielt eine wesentliche Rolle beim Aufbau des russischen Staatskapitalismus und war maßgeblich an der Enteignung des Oligarchen Michail Chodorkowski beteiligt. Obwohl Setschin nicht im Sicherheitsrat sitzt, hat er dennoch eine zentrale Position im Machtgefüge.
Die Rotenberg-Brüder, die schon in der Jugend Freunde Putins waren, leiten ein Bauunternehmen, das von lukrativen Staatsaufträgen profitiert.
Der Schriftsteller Michail Schischkin, der im Exil lebt, betont, dass die wichtigste Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu Putins Team die persönliche Loyalität des Einzelnen gegenüber dem Präsidenten ist. Nach dem Prinzip der Mafia funktionierten nicht nur die KGB-Netzwerke, sondern so läuft auch der gegenwärtige Machtmechanismus.
Schischkin ist überzeugt, dass die Personen, die Putin aus St. Petersburg nach Moskau mitgebracht hat, nach wie vor das Land kontrollieren. In den letzten Jahren haben insbesondere die Mitarbeiter der Sicherheitsdienste an Einfluss gewonnen. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Anpassung der russischen Gesellschaft an den Krieg gegen die Ukraine.
Nikolai Patruschew, der ehemalige Sekretär des Sicherheitsrates, galt über zwei Jahrzehnte als die einflussreichste Persönlichkeit in Putins Umgebung. Er begann seine Karriere als KGB-Offizier in St. Petersburg und wird als Drahtzieher des zweiten Tschetschenienkrieges angesehen, der Putin ins Rampenlicht rückte und ihm zur Präsidentschaft verhalf.
Patruschew war lange Zeit als graue Eminenz bekannt, verantwortlich für die außenpolitische und sicherheitspolitische Strategie Russlands und damit auch für den Beginn der Aggression gegen die Ukraine. Inzwischen ist er jedoch nur noch als Berater des Präsidenten tätig, hat aber seinen Sohn Dmitri in eine wichtige Regierungsposition gebracht, was auf einen beginnenden Generationswechsel in der russischen Führung hinweist.
Dmitri Medwedew, der zwischen 2008 und 2012 Präsident war, hat ebenfalls eine besondere Stellung im Team des Präsidenten. Während er ursprünglich als Liberaler galt, sind seine aktuellen Äußerungen in sozialen Medien äußerst radikal. Er drohte unter anderem mit der Zerschlagung der Ukraine und dem Einsatz taktischer Atomwaffen gegen westeuropäische Städte.
Rochlitz vermutet, dass Medwedew aufgrund seiner Rolle als Sündenbock für die Misserfolge Putins psychische Probleme entwickelt haben könnte. Dadurch fällt er zunehmend durch extreme Äußerungen gegenüber dem Westen auf, die selbst für russische Politiker außergewöhnlich sind.
Es bleibt unklar, ob Medwedew mit diesem Verhalten versucht, eine neue Führungsposition zu erreichen. Derzeit ist er Vizechef des Sicherheitsrates, was ihm eher wie eine politische Abstellgleis erscheint.
Michael Rochlitz ist Professor an der Oxford School of Global and Area Studies.
Michail Schischkin ist ein angesehener russischer Schriftsteller, dessen Werke in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden. Seit 1995 lebt er in der Schweiz.